Donnerstag, 18.12.2025

Wie Innenstädte wieder produktiv werden können: Diskussion in Wiesbaden über neue Nutzungsmischung

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Über 100 Interessierte füllten am Dienstag, 2. Dezember, den Saal im Haus der Architekten in Wiesbaden, um über das Leitbild der sogenannten produktiven Stadt zu debattieren. Eingeladen hatte das Stadtmuseum sam am Markt. In der von Andrea Jürges, stellvertretende Direktorin des Deutschen Architekturmuseums Frankfurt, moderierten Veranstaltung diskutierten Fachleute aus Stadtplanung, Architektur, Forschung, Kultur und Zivilgesellschaft über Wege, Innenstädte jenseits reinen Konsums zu gestalten.

Was mit produktiver Stadt gemeint ist

Als produktive Stadt wird ein urbanes Prinzip verstanden, in dem Wohnen, Arbeiten und Produktion wieder enger zusammengedacht werden. Kleinbetriebe, Handwerk und urbane Landwirtschaft sollen demnach auch in zentralen Lagen Platz finden, um Wege zu verkürzen, Quartiere resilienter zu machen und soziale Durchmischung zu fördern. Vertreterinnen und Vertreter aus Wissenschaft und Verwaltung beschrieben das Konzept als Antwort auf aktuelle Herausforderungen der Stadtentwicklung.

Zentrale Positionen der Podiumsteilnehmerinnen und Teilnehmer

Francesca Ferguson, Stadtforscherin und Leiterin der Initiative Make_Shift in Berlin, verwies darauf, dass die produktive Stadt auf drei gleichzeitig auftretende Probleme reagiere: den Mangel an Fachkräften im Handwerk, das Verschwinden kleiner Betriebe aus den Innenstädten und fehlende nachhaltige urbane Nahrungsmittelproduktion. Sie schlug vor, Erdgeschosse und Innenhöfe gezielt für Kleingewerbe zu öffnen, Leerstände durch Pop up Leases zu aktivieren und so Handwerk und Kleinbetriebe zurück ins Zentrum zu bringen.

Aus Sicht der kommunalen Planung bezeichnete Constanze Paffrath, Abteilungsleiterin Städtebau im Stadtplanungsamt Wiesbaden, die europäische Stadt als Vorbild für nachhaltiges Zusammenleben. Die Herausforderung bestehe darin, Strategien zu entwickeln und umzusetzen, die ein gerechtes und nachhaltiges Zusammenleben für alle Bevölkerungsgruppen ermöglichen.

Philipp Krass von berchtoldkrass space options und Lehrender an der Fachhochschule Rapperswil prognostizierte einen Wandel der Einkaufszentren und Randlagen: Innenstädte würden weniger konsumorientiert, Randbereiche lebenswerter und vielfältiger. Bildungsangebote, Kultur und verträgliche Produktion könnten künftig Flächen füllen, die derzeit vom Handel dominiert werden. Zudem werde das Arbeiten in Wohnquartieren häufiger, was neue Anforderungen an das Wohnumfeld mit sich bringe und zugleich Anpassungen an den Klimawandel erfordere.

Torsten Becker vom Vorstand der Architektenkammer Hessen betonte, dass die produktive Stadt eine neue Vorstellung davon verlange, was Innenstadt sein kann. Gute Planung könne eine qualitätsvolle gebaute Umwelt schaffen, politische Ziele vermitteln und Akzeptanz herstellen. Solche Aufgaben seien nur im Zusammenspiel verschiedener Disziplinen zu leisten.

Praxis und Vernetzung: das sam als Plattform

Der DesignDialog des sam wurde in diesem Jahr als Projekt der World Design Capital 2026 Frankfurt RheinMain ausgezeichnet und verstand sich als Vernetzungsplattform für Fachakteure und Bürgerinnen und Bürger. Sabine Philipp, Direktorin des sam, stellte das Museum ausdrücklich als einen Ort vor, der nicht allein Vergangenheit vermittelt, sondern Impulse für die Gegenwart und Zukunft geben will. Für 2026 kündigte sie an, das Erdgeschoss des ehemaligen Sportscheck Gebäudes in der Langgasse 5 bis 9 von Mai bis Ende Oktober als sogenannten Vierten Ort zu nutzen. Dort sollen Projekte aus der Region unter dem Motto Looking forward Das Morgen gemeinsam gestalten präsentiert werden und Beteiligung ermöglichen.

Relevanz für Wiesbaden

Die Diskussion zeigte, dass die produktive Stadt nicht nur ein planerisches Konzept ist, sondern auch ein sozialer und kultureller Auftrag. Für Wiesbaden spielen Themen wie Umgang mit Leerständen, die Stärkung des Handwerks, klimafreundliche Quartiersentwicklung und die Integration nachhaltiger Kulturangebote eine Rolle. Der Austausch beim DesignDialog 2025 brachte verschiedene Perspektiven zusammen, ohne abschließende Lösungen zu liefern. Stattdessen bot die Veranstaltung lokale Ansatzpunkte für weitere Debatten und praktische Schritte.

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